An Jesus glauben heißt, an das glauben, was er verkündet hat und wofür er stand und starb. Dieses Glauben an Jesus ist also ein Prozess, in dem wir immer mehr mit ihm vertraut werden, uns seine Art des Redens, des Denkens und des Handelns aneignen. So wächst zwischen ihm und uns eine Beziehung. Und wie eine solche Beziehung ausschauen kann, hat uns z.B. der Apostel in der heutigen ersten Lesung beschrieben.
Paulus sagt: „Jesus Christus ist jetzt mein Herr. Zu ihm will ich gehören. Ihn will ich immer besser kennen lernen. Dabei ist mir klar, dass ich es noch lange nicht erreicht habe, Christus ähnlich zu sein“. Er strebt eine Ähnlichkeit mit der Lebensweise von Jesus an. Das, was Jesus gesagt hat, ist bei Paulus nicht nur in seinem Kopf, sondern auch in seinem Herzen angekommen.
Ein Beispiel für diese Denk- und Handlungsweise von Jesus haben wir gerade im heutigen Evangelium gehört. Menschen urteilen und verurteilen gerne andere. Wer sich schuldig gemacht hat, gehört bestraft, eingesperrt, aus dem Verkehr gezogen. Das verlangt die Gerechtigkeit. Und man kommt sich gut vor, wenn man so redet. So wie die Männer, die diese Frau da verurteilen und bestrafen wollen,
Jesus denkt und urteilt anders. Er hat eine andere Grundeinstellung gegenüber Menschen, die sich schuldig gemacht haben. „Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein auf sie!“ Welcher Mensch ist schon ohne Schuld? Alle schleichen sich in Stille davon, die Ältesten zuerst. Aber sie waren wenigstens ehrlich. Wer sich seiner eigenen Sündhaftigkeit bewusst ist, hat es schon schwieriger, mit Steinen auf andere zu werfen. Heute ist man „im Namen der Gerechtigkeit“ oft beinhart, erbarmungslos – zumindest, wenn es um die Schuld anderer geht. Dieser Ruf nach Gerechtigkeit entspringt oft nur heimlichen Rachegefühlen. Helmut Qualtinger soll einmal gesagt zu haben: „Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen“.
Jesus sagt zu der Frau: „Ich verurteile dich nicht. Geh und tue das nicht mehr!“ Er heißt nicht gut, was diese Frau getan hat. Aber er gibt ihr eine neue Chance, in diesem Fall sogar eine neue Lebenschance. Jesus tut hier etwas unheimlich Wichtiges: Er unterscheidet zwischen dem Menschen und seiner Tat. Falsche, schlechte Taten sollen wir nicht gutheißen und sie deutlich anklagen. Aber deswegen nicht den ganzen Menschen verurteilen, der etwas Falsches getan hat. „Was du gemacht hast ist falsch. Aber ich akzeptiere dich trotzdem als Mensch. Du bist trotzdem wertvoll. Du hast trotzdem das Recht neu anzufangen, eine neue Chance zu bekommen. Ich traue dir zu, dass du besser bist als das, was deine schlechte Tat über dich aussagt!
Das, was Jesus im Evangelium vom letzten Sonntag über Gott als barmherzigen Vater gesagt hat, praktiziert er hier selbst. Es ist wahre Barmherzigkeit - in diesem Wort steckt das kleine Wörtchen ‚Herz‘! Gerechtigkeit-ohne-Herz ist oft die größte Ungerechtigkeit.
Wir kennen noch andere Sprüche von Jesus, die eigentlich das Gleiche aussagen: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet, denn mit dem Maß, mit dem ihr messt, werdet auch ihr gemessen werden... Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders und übersiehst den Balken in deinem eigenen Auge?“ Lerne also Geduld haben mit fremden Fehlern; denn siehe, du hast auch viel an dir, was andere ertragen müssen. Überlassen wir das endgültige Urteil Gott. Und Gott ist menschlicher als wir.
Glaube ich, wie Paulus, so stark an Jesus, dass ich auch bereit bin, so wie er mit schuldigen Menschen umzugehen? Glaube ich an das, was er verkündet hat?